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Pressemitteilung vom 29. April 2012

3 Jahre S-Bahn-Krise – und die nächste Krise kommt bestimmt

Gravierende Fehlentscheidungen der Deutschen Bahn stürzten die Berliner S-Bahn in eine der schlimmsten Krisen ihrer Geschichte. Fehlende Entscheidungen des Berliner Senats werden dazu führen, dass es bei der S-Bahn spätestens 2018 durch Fahrzeugmangel die nächste Krise gibt.

Der 1. Mai 2009 wird von vielen als Beginn der S-Bahn-Krise angesehen. An diesem Tag entgleiste am S-Bahnhof Kaulsdorf ein Zug der Baureihe 481 durch einen Radbruch. Vorausgegangen waren zahlreiche Fehlentscheidungen der Deutschen Bahn bzw. der S-Bahn Berlin GmbH, die zu gravierenden Personalengpässen und Wartungsmängeln bei den Fahrzeugen führten. Die nach dem Radbruch eingeleiteten Untersuchungen des Eisenbahn-Bundesamtes führten zu einer Stilllegung eines großen Teiles der S-Bahn-Fahrzeuge. Betroffen war zunächst die neueste Baureihe 481, später auch die Baureihen 480 und 485. Der Fahrzeugmangel, seit 2011 ergänzt um Fahrermangel, führte dazu, dass die S-Bahn auch im April 2012 noch mehr als 10 % der von Berlin und Brandenburg bestellten Verkehrsleistungen nicht fahren konnte. Um den Vertrag zu erfüllen, müssten derzeit 550 Viertelzüge (1100 Wagen) im Einsatz sein, zuletzt waren es nach Angaben des VBB aber nur rund 480.

Ab 30. April 2012 dürfen die Fahrgäste zunächst auf eine weitere Verbesserung der Situation hoffen. Dann fallen bei der Baureihe 481 – und somit bei fast 80 Prozent der S-Bahn-Fahrzeuge – die Sandprüfungen weg, so dass die Züge dafür nicht mehr für mehrere Stunden aus dem Fahrgastverkehr genommen werden müssen.

Im krassen Gegensatz dazu stehen die Nachrichten aus dem Berliner Senat. Dort ist seit langem bekannt, dass ab 2018 nur noch die 500 Viertelzüge der Baureihe 481 zur Verfügung stehen werden. Die Züge der Baureihen 480 und 485 wird die S-Bahn GmbH 2017 ausmustern, da sie nur mit großen Kosten und Unwägbarkeiten (BR 485) bzw. gar nicht (BR 480) auf das neue "Zugbeeinflussungssystem" (ZBS) umgebaut werden können. Dieses moderne Signalsystem wird von der DB nun endlich bis 2017 auf allen S-Bahn-Strecken eingebaut.

Zusammen mit dem Mehrbedarf für den Flughafenverkehr und die S21-Nord (Nordring—Hauptbahnhof) werden 2018 zusätzlich zu den 500 Viertelzügen der BR 481 noch 190 neue Viertelzüge benötigt. Hierzu hatte am 7. Januar 2010 die damalige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer festgestellt: „Die Vergabe der Leistungen wird etwa 1 ½ Jahre dauern, da den Unternehmen ausreichend Zeit gegeben werden muss, ein Angebot für derartig komplexe Leistungen zu kalkulieren. Zudem rechnen wir damit, dass die Fahrzeugindustrie etwa 5 ½ Jahre benötigt, um 190 Neufahrzeuge für die S-Bahn zu entwickeln, zu erproben und zu bauen. Wir müssen daher bis spätestens Januar 2011 entscheiden, ob und wie wir das mit Neufahrzeugen zu bedienende Teilnetz vergeben wollen.“

Seit dieser unverändert richtigen Beurteilung der Fahrzeugsituation sind über zwei Jahre vergangen, ohne dass der Berliner Senat die erforderliche Entscheidung getroffen hat. Damit ist sicher, dass es bei der Berliner S-Bahn ab 2018 die nächste Krise durch Fahrzeugmangel geben wird – verschuldet vom Berliner Senat. Und jeder weitere Monat Entscheidungsverzug im Jahr 2012 verlängert den S-Bahn-Fahrzeugmangel der Zukunft.

Christfried Tschepe, Vorsitzende
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.