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Fahrgastverband äußert sich kritisch: So auf keinen Fall!

11.07.2003

Breiten Raum fanden in dieser Woche in der Berliner Presse Vorschläge zur Umgestaltung der Berliner Nahverkehrstarife ab 2006: Nach BVG-Wünschen soll ein entfernungsabhängiger VBB-Tarif eingeführt werden, wobei sich die Fahrgäste beim Ein- und Aussteigen mittels einer Chipkarte an- und abmelden sollen.

Doch dieses Modell trifft beim Berliner Fahrgastverband IGEB auf wenig Liebe. Dessen stellvertretender Vorsitzender Christfried Tschepe betont: "Der Vorschlag lässt viele Fragen offen und beinhaltet Komponenten, denen wir so auf keinen Fall zustimmen werden!"

IGEB will einheitliche Tarifregelung für alle Verkehrsunternehmen

Die Ablehnung gelte beispielsweise für den Fall, dass es zu keiner einheitlichen Regelung käme, die die S-Bahn und DB Regio einbeziehe. "Nur auf die BVG bezogen, wäre der Vorschlag sowieso unhaltbar."

Die Skepsis des Verbandes gründet sich beispielsweise auf der Höhe der Kosten: "Wir müssen die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen, wenn allein die Einführung des Systems 50 Millionen Euro kostet und die jährliche Unterhaltung 10 Millionen", so Christfried Tschepe.

Völlig ungeklärt sei der Datenschutz, weil mit dem vorgeschlagenen System sämtliche Wege der Fahrgäste nachvollziehbar würden. "Das kann die BVG derzeit überhaupt noch nicht beantworten."

Auch die Funktionsfähigkeit des Systems stellt IGEB in Frage – vor allem den hohen Komfortverlust. "Der Vorteil der Zeitkartenbesitzer geht völlig verloren, ohne aktive Handlung in Zug, Bahn, Tram oder Bus zu steigen", hebt Tschepe hervor. "Es wäre das Ende der klassischen Monats- oder Jahreskarte. Der Fahrgast muss sich mit seiner Chipkarte immer erst ein- und dann wieder auschecken. Und was passiert, wenn man das Einlesen der Karte vergisst? Auch das ist unklar. Außerdem ist vor allem im Berufsverkehr mit Staus an den Lesegeräten zu rechnen." Eine zusätzliche Quelle für Verspätungen droht.

Christfried Tschepe: "Billiger Bus ist ungerecht und ökologisch falsch"

Nein sagt der Fahrgastverband auch zur differenzierten Preisbewertung der vier Verkehrsmittel Bus, Straßenbahn, Bahn und RegionalExpress, die in dieser Reihenfolge unterschiedlich viel kosten sollen, wobei für Busse am wenigsten zu zahlen wäre.

Dazu sagt Christfried Tschepe: "Wenn die Abrechnung der Entfernungen auf Luftlinienbasis noch einen gewissen Charme besitzt, wird der dadurch völlig aufgehoben. Es entstünde ein Systembruch, der zu ungerechten Preisen führen würde. Wenn ich mit dem Bus statt mit der S-Bahn von A nach B fahre, zahle ich weniger, obgleich ich länger unterwegs bin, der Bus das teuerste Verkehrsmittel im öffentlichen Nahverkehr ist und auch die größten ökologischen Nachteile besitzt!"

Ergo: Jedes neue Tarifsystem muss bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllen, soll es mehr als nur einen Sturm im Wasserglas bewirken: Erhalt des integrierten Nahverkehrssystems (RE, RB, S-Bahn, U-Bahn, Tram, Bus), komfortable Handhabung durch die Fahrgäste, ökologisches Fahren, übersichtliche Preisgestaltung.

Außerdem ist nachzuweisen, dass der Wegfall der Zeitkarte für die Kunden und die Verkehrsunternehmen günstiger ist.

Autor/Agentur: Michael-Peter Jachmann
Quelle: punkt3
Medium: Wochenzeitung
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