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Bus-Stopp Berlin

14.03.2019

Donnerstag bleiben die großen Gelben im Depot
Nichts geht mehr im Berliner Busverkehr. An diesem Donnerstag soll von 3.30 bis 22 Uhr kein großer und kleiner Gelber der BVG fahren. Ist der Warnstreik gerechtfertigt? Darüber gibt es heftigen Streit.

Bus- und Straßenbahnfahrer haben den höchsten Krankenstand in Berlin

„Er trifft die Einkommensschwächsten“, kritisierte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. „Die Abgehängten der Gesellschaft werden auch noch vom Nahverkehr abgehängt.“ Wohngebiete mit Sozialbauten wie das Kosmosviertel in Altglienicke oder das Falkenhagener Feld in Spandau hätten keinen Bahnanschluss. Wer dort lebt, sei oft auf Busse angewiesen. „Der neue Streik ist unangebracht“, sagte Claudia Pfeiffer, Chefin des Kommunalen Arbeitgeberverbands Berlin. „Die Kräfte sollten lieber am Verhandlungstisch eingesetzt werden, statt die Berlinerinnen und Berliner erneut zu belasten.“

Am Mittwoch gab es jedoch auch noch eine andere Nachricht – von der Krankenkasse AOK, einer Institution, die normalerweise nicht mit dem Nahverkehr in Verbindung gebracht wird. Doch sie passt zu dem derzeitigen Streit. Nach der AOK-Fehlzeitenanalyse, die am Mittwoch vorgestellt wurde, gehören Bus- und Straßenbahnfahrer zu den Berufen mit dem höchsten Krankenstand in Berlin. Im vergangenen Jahr fehlten sie durchschnittlich 41 Tage. Damit lagen sie über dem Schnitt der Berliner AOK-Mitglieder (18,6 Arbeitsunfähigkeitstage). „Je höher die Belastung, umso mehr Fehltage.“

BVG will nicht über Wochenarbeitszeit und Lohnausgleich verhandeln

In dem Tarifkonflikt, der seit dem Dezember schwelt, möchte die Gewerkschaft Verdi vor allem bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen – in Gestalt einer Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 36,5 Stunden für alle Mitarbeiter, die derzeit 39 Stunden arbeiten. Doch hier zeichnet sich keine Einigung ab, weshalb die Gefahr weiterer Warnstreiks nicht gebannt ist.

Ganz im Gegenteil: Die BVG machte erneut klar, dass sie den Wunsch auf keinen Fall erfüllen will. „Über die Forderung nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich können wir nicht verhandeln – aus Verantwortung für unser Unternehmen und für diese Stadt“, sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken. „Wir müssten zusätzlich zu den 1300 Beschäftigten, die wir 2019 einstellen wollen, weitere 525 Fahrer gewinnen. Das ist angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht umsetzbar. Folge wäre, dass wir unser Angebot für die Fahrgäste einschränken müssten.“

BVG will als Arbeitgeber in Berlin attraktiver werden

In der Offerte der Arbeitgeber geht es um die „Anpassung“ von Arbeitsbedingungen – aber zuungunsten der Fahrer. So hat das BVG-Tochterunternehmen Berlin Transport darin verankert, dass die maximale tägliche Arbeitszeit der Fahrer von 8,5 auf neun Stunden steigt. Gewünscht wird auch, dass die Mindestruhezeit zwischen den Schichten von elf auf zehn Stunden verkürzt wird. Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit erhalten, freiwillig 45 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Der Arbeitgeber BVG will auf andere Weise attraktiver werden. Rückwirkend vom 1. Januar 2019 an sollen die Löhne und Gehälter für alle rund 14.600 Beschäftigten der BVG und BT steigen – in den unteren Entgeltgruppen um elf Prozent, in den oberen um sieben Prozent.

Verdi fordert Rücknahme der Arbeitgeberforderungen im BVG-Tarifstreit

„Dies führt zum Beispiel zu Entgeltsteigerungen für Fahrer um rund 240 Euro monatlich und für Handwerker um zirka 284 Euro“, rechnete Pfeiffer vor. Sie bezog sich auf die Einstiegslöhne für Anfänger. „Damit wird die BVG nachhaltig konkurrenzfähig im Vergleich zu Nahverkehrsunternehmen in Brandenburg, Bayern und Hamburg.“ Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit sollen Fahrer zwischen 14,19 und 15,67 Euro pro Stunde erhalten.

„Wir erwarten, dass die Arbeitgeberforderungen, die deutliche Verschlechterungen enthalten, zurückgenommen werden und ein verhandlungsfähiger Vorschlag unterbreitet wird, der Hand und Fuß hat“, sagte Jeremy Arndt von Verdi.

Diese Bus-Linien fahren trotz BVG-Streik

18,5 Stunden lang werden an diesem Donnerstag keine Busse fahren. Bestreikt wird auch der Schienenersatzverkehr für die Straßenbahnlinien M4 und M13. Er rechnete zudem damit, dass die Ersatzverkehre für die U-Bahn-Linien U1, U8 und U9 am Abend verspätet beginnen werden. Die S-Bahn setzt dagegen keine BVG-Busse im Ersatzverkehr ein, hieß es dort.

Die Busrouten, die von Auftragnehmern der BVG befahren werden, bleiben ebenfalls in Betrieb. Dabei handelt es sich um die Linien 106, 161, 162, 163, 168, 175, 179, 218, 234, 263, 275, 284, 320, 322, 334, 341, 349, 363, 365, 371, 373, 380, 390 und 399. Folgende Buslinien fahren mit leichten Einschränkungen: 112, 140, 184, 283, 370 und 893.

Zum Flughafen Tegel richtet die Flughafengesellschaft FBB wieder einen „Not-Shuttle-Verkehr“ mit vier gecharterten Reisebussen ein – diesmal vom und zum U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz. Wer nicht warten will, kann auch laufen, empfiehlt ein Flugblatt der FBB. Errechnete Laufzeit für die 2,4 Kilometer: 31 Minuten.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Kurier
Medium: Tageszeitung
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