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Wer plant den Berliner Nahverkehr? Streit um Strieders neuen Plan

07.08.2002

Koalitionspartner PDS fürchtet Bürokratie / Lob vom Fahrgastverband
Eine neue, landeseigene Gesellschaft mit bis zu 250 Mitarbeitern soll künftig den Berliner Nahverkehr gestalten - das plant Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Doch beim Koalitionspartner PDS, bei der CDU und der Gewerkschaft Verdi stößt dieses Vorhaben auf Kritik. Sie bezweifeln, ob die Schaffung einer weiteren Organisation den Berliner Nahverkehr wirklich verbessert - schließlich sei dieser Politikbereich mit seinen vielen Akteuren schon unübersichtlich genug. "Wir fürchten, dass die bürokratischen Wege länger werden", sagte die verkehrspolitische Sprecherin der PDS, Jutta Matuschek. Christfried Tschepe vom Fahrgastverband IGEB steht dem Strieder-Plan dagegen "aufgeschlossen gegenüber". "Der Senator will die Verkehrsplanung konzentrieren. Das wäre einen Versuch wert", sagte er.

Wohin sollen Busse und Bahnen fahren? Wie oft sollen sie verkehren? Wie sollen die Fahrzeuge aussehen? Wenn es um Fragen wie diese geht, gibt es in Berlin heute "viele, nicht richtig geklärte Zuständigkeiten", bemängelte Tschepe. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die S-Bahn haben Verkehrsplaner, die Senatsverwaltung befasst sich ebenfalls mit diesem Thema - und dann gibt es noch den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Auch er erhebt den Anspruch, für den Nahverkehr in der Hauptstadt zuständig zu sein. Nicht immer ziehen diese Akteure an einem Strang, oft gibt es Konflikte - zurzeit um die Tarife, die von Frühjahr 2003 an gelten sollen.

Wie berichtet, will Strieder diesen Wirrwarr auflösen. Noch in diesem Jahr soll eine "Regie- und Bestelleinheit" ins Leben gerufen werden, die den öffentlichen Verkehr in Berlin gestaltet. Sie soll vor allem dazu dienen, die Vorgaben des Senats umzusetzen. In einem Gutachten, das die Metropolitan Consulting Group für Strieder erstellt hat, heißt es: "Das Land bleibt in jeder Situation Herr des Verfahrens."

Die Organisation könnte mit 25 bis 30 Mitarbeitern beginnen, so die Gutachter. Zunächst soll sie bestimmen, welche BVG- und S-Bahn-Linien wie oft befahren werden. Später soll die GmbH auch den Ausbau der Schienenwege planen, Anforderungen an die Fahrzeuge festlegen und die Tarifentwicklung vorschreiben. Die letzte "Ausbaustufe" sieht vor, die Mitarbeiterzahl auf 150 bis 250 zu erweitern - unter anderem durch eine "schrittweise Übertragung von Personal der BVG", aber auch aus der Verwaltung. Dann würde die GmbH zusätzlich den Straßenbau managen, zudem Bus- und Bahnfahrten im Wettbewerb ausschreiben - eine durch das Europarecht für die Zukunft vorgeschriebene Prozedur, für die es in Berlin noch keine Organisation gibt.

Im Aufsichtsrat der GmbH sollen die Bezirksbürgermeister vertreten sein, der Stadtentwicklungssenator soll Vorsitzender des Gremiums werden. Im Beirat säßen nicht nur Fahrgastverbände, sondern auch die verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen.

Doch zwei Fraktionen sind skeptisch. "Die Aufgaben der geplanten GmbH können auch von der Senatsverwaltung wahrgenommen werden", sagte Jutta Matuschek (PDS). Durch die neue Organisation werde die "Transparenz in der Verkehrspolitik geringer". "Ein Un-sinnsprojekt", sagte Alexander Kaczmarek (CDU). "Es gibt nicht zu wenige Gremien, sondern zu viele. Wir brauchen keine zusätzliche Planungsbürokratie." Der Christdemokrat vermutet, dass Strieder vor allem seine Macht stärken will: "Er hat es nicht geschafft, dass Herr Stindt seinen Posten als Verbund-Chef verliert. Nun versucht er es auf diese Weise - mit dem zusätzlichen Effekt, dass er damit auch die BVG besser in den Griff bekommt."

"Strieder macht sich Gedanken, wie man den Nahverkehr effizienter planen könnte", lobte dagegen Tschepe vom Fahrgastverband. "Das kann schief gehen. Aber weiterzumachen wie bisher, ist für mich auch keine Lösung."

BVG ist dagegen // Eine Nahverkehrsgesellschaft soll den Berliner Nahverkehr in Zukunft gestalten. Sie soll alle Bus- und Bahnfahrten für die gesamte Stadt planen und später auch bestellen - nach den dafür künftig vorgeschriebenen Ausschreibungen. Verkehrsunternehmen wie BVG und S-Bahn hätten dann nur noch die Aufgabe, die vertraglich festgelegten Vorgaben der Landes-GmbH zu erfüllen.

Die BVG äußert sich zu dem Plan, dessen Realisierung noch 2002 beginnen soll, offiziell nicht. Doch dem Vernehmen nach steht sie dem Plan skeptisch gegenüber. Mit dem Verkehrsverbund sei in Berlin bereits eine "Regieebene" vorhanden. Außerdem habe die GmbH weder direkten täglichen Kundenkontakt noch Detailkenntnisse über betriebliche Erfordernisse. Nach dem Unternehmensvertrag mit dem Senat soll es in Berlin bis 2008 keinen Wettbewerb geben. Deshalb sei fraglich, warum man schon 2003/03 eine "Regieebene" brauche.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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