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Pressemitteilung vom 06. Februar 2018

Die Berliner Mauer und ihre schlimmen Folgen

Berliner Fahrgastverband IGEB bilanziert zum „Jahrestag“ 5. Februar 2018

Erfolge und Defizite
Am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. Sie stand 10.315 Tage. Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Am 5. Februar 2018 sind wieder 10.315 Tage vergangen. Heute, einen Tag danach, wollen wir aus Fahrgastsicht Bilanz ziehen. Sind beide Teile Berlins und Brandenburg wieder zusammengewachsen? Wo steht die Mauer noch – auf den Gleisen und in den Köpfen? Wo muss mehr getan werden, als den Zustand vor dem 13. August 1961 wiederherzustellen?
Viel wurde geschafft seit dem 9. November 1989. Aber vieles, was im Zweiten Weltkrieg, in der Nachkriegszeit und durch den Mauerbau zerstört wurde, ist noch nicht wieder aufgebaut. Das ist keineswegs nur die Folge begrenzter Gelder, Planungs- und Baukapazitäten. Es ist Ausdruck einer Gesellschaft, die sich prioritär um die Verbesserung des Autoverkehrs gekümmert hat und erst jetzt erkennt bzw. akzeptiert, dass die wachsende Stadt Berlin nur funktionieren wird, wenn mehr Menschen den Umweltverbund nutzen, also laufen, Fahrrad fahren und vor allem Bahnen und Busse nutzen. Im Übrigen sind alle Ziele beim Umwelt- und Klimaschutz auch nur mit dem Umweltverbund erreichbar.

Fernbahn
Das „Pilzkonzept“ mit dem Tiergartentunnel und den neuen Fernbahnhöfen Hauptbahnhof, Südkreuz und Gesundbrunnen hat eine wesentliche Verbesserung des Fernbahnangebotes ermöglicht. Aber es muss noch vollendet werden.
- Die Dresdener Bahn muss wiederaufgebaut werden – was bekanntlich nun endlich erfolgt.
- Die Stammbahn muss wiederaufgebaut werden – auch zur Entlastung der Stadtbahn.
- Fernzüge, die über die Stadtbahn fahren, müssen wieder am Bahnhof Zoo halten.
Zur Vervollständigung des „Bahnknoten Berlin“ müssen kurz- bis mittelfristig die Kremmener und die Heidekrautbahn sowie mittel- bis langfristig der Berliner Innenring zwischen Neukölln und Treptow und die Nordbahn wiederaufgebaut werden.

Regionalzüge
Mit den „Durchmesserlinien“ über Stadtbahn und Nord-Süd-Tunnel und attraktiven Takten ist der Regionalzugverkehr eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte für Berlin und Brandenburg. Um das landesplanerische Konzept, den Ballungsraum Berlin und Potsdam durch Wachstum in den „Städten der 2. Reihe“ zu entlasten, muss in den nächsten Jahren vor allem das Regionalexpress-Angebot auf mittleren und weiten Strecken ausgebaut werden, während im Nahbereich von Berlin die S-Bahn zwingend notwendig ist.
Kurzfristig müssen, wo es nötig und möglich ist, die Takte verdichtet und/oder die Züge verlängert werden. Außerdem müssen alle Regionalbahnlinien nach Berlin hineingeführt oder besser noch hindurchgeführt werden – wie zuletzt die erfolgreiche RB24. Außerdem müssen alle Regionalzüge von Berlin nach Brandenburg mindestens bis Mitternacht verkehren. Beispielsweise muss man in Berlin ins Theater oder Kino gehen und danach noch mit dem Zug nach Hause fahren können.

S-Bahn
Bahntrassen sind ein Erbe von höchstem Wert. Mittel- bis langfristig müssen alle bis 1961 betriebenen S-Bahn-Strecken wiederaufgebaut werden, so nach Falkensee, Velten und Rangsdorf, aber auch die Siemensbahn von Jungfernheide nach Gartenfeld (mit der Option zur Wasserstadt) und die Friedhofsbahn von Wannsee nach Stahnsdorf (und weiter nach Teltow).
Kurz- bis mittelfristig müssen alle eingleisigen Streckenabschnitte (meist eine Spätfolge des Zweiten Weltkriegs) zweigleisig ausgebaut und signaltechnisch so ausgerüstet werden, dass eine 5-Minten-Zugfolge möglich ist, um z.B. Störungen auszugleichen, Betriebsfahrten einzuschieben oder Sonderverkehr z.B. nach Hoppegarten fahren zu können. Wichtig sind hierbei Regelungen, die es für DB Netz attraktiv machen, in die Streckeninfrastruktur auch dann zu investieren, wenn dies nicht zur Bestellung von mehr Verkehr, sondern „nur“ zur Fahrplanstabilisierung und mehr Pünktlichkeit führt.

U-Bahn
Bei der U-Bahn gelang es nach dem Mauerfall in relativ kurzer Zeit, stillgelegte Bahnhöfe und Strecken wieder in Betrieb zu nehmen. Die größten Baustellen sind nun die Modernisierung und Vergrößerung des Fahrzeugbestandes für den künftigen Mehrverkehr sowie die weitere Sanierung der teilweise über 100 Jahre alten Strecken.
Aktuell müssen Straßenbahn- und S-Bahn-Strecken-Projekte Vorrang haben. Aber schon jetzt ist zu klären, wo das U-Bahn-Netz mittel- bis langfristig arrondiert werden soll. Dabei kann es nur um Netzverknüpfungen und innerstädtische Strecken gehen. Die teure und leistungsfähige U-Bahn ist kein Verkehrsmittel für weite Strecken oder gar eine Stadt-Umland-Erschließung, z.B. von Schönefeld.

Straßenbahn
Beim Straßenbahnnetz ist noch immer gut zu erkennen, wo einst die Mauer Ost- und West-Berlin trennte. Die Intensivierung des Straßenbahnausbaus, wie sie der rot-rot-grüne Senat will, ist überfällig und richtig. Aber noch immer fehlt ein Zielnetz, damit Trassen nicht verbaut und z.B. neue Brücken so gebaut werden, dass man sie nicht in 30 oder 50 Jahren nur deshalb neu bauen muss, damit die Straßenbahn darüber fahren kann. Aktuelles Negativ-Beispiel ist die neugebaute Minna-Todenhagen-Brücke über die Spree in Treptow-Köpenick.
Mehr Straßenbahnverkehr bedeutet zugleich mehr Elektromobilität. Aber die Prioritäten für den Netzausbau müssen allein danach bestimmt werden, wo der Busverkehr systembedingt an seine Grenzen gestoßen ist und nun durch die leistungsfähigere Straßenbahn ersetzt werden muss.

VBB-Tarif und P+R
Der Verkehrsverbund und hier insbesondere der VBB-Tarif für Berlin und Brandenburg sind eine große Errungenschaft. (Im Detail gibt es allerdings noch Verbesserungsbedarf. So muss der Zwei-Stunden-Fahrschein innerhalb Berlins wieder ohne Einschränkung auf eine Fahrtrichtung gelten.)
Kein Fortschritt wäre es aber, die Berliner Tarifzone B über die Berliner Stadtgrenze hinaus zu erweitern. Wer in das Umland zieht (oder dort wohnt) und seine Steuern in Brandenburg zahlt, muss auch mehr für die Fahrt nach Berlin zahlen, als diejenigen, die den ÖPNV in Berlin mit ihren Steuergeldern subventionieren. Das gilt natürlich umgekehrt auch für Fahrten der Berliner in das Umland. Außerdem würde sich Brandenburg unendlich viele Streitigkeiten einhandeln, bis zu welcher Kommune denn nun der Tarif Berlin B ausgeweitet werden soll. Im Übrigen ist eine Tarifgrenze auf der Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg einfach zu verstehen und zu merken.
Das Problem zugeparkter Bahnhöfe am Berliner Stadtrand – aktueller Anlass für die Forderung nach Ausweitung der Tarifzone B – muss statt mit Tarifveränderungen mit konsequenter Parkraumbewirtschaftung gelöst werden. Es kann keinen Anspruch der Autofahrer geben, an den Bahnhöfen kostenlos zu parken. Deshalb ist es auch richtig, dass in Berlin freie Grundstücke im Umfeld von Bahnhöfen nicht mit P+R-Plätzen bebaut werden, sondern mit Wohn- oder Bürohäusern. Das bringt dem öffentlichen Verkehr sehr viel mehr zusätzliche Fahrgäste.
Ausgebaut werden sollen stattdessen der Zubringerverkehr zu Bahnhöfen und das Angebot an Fahrradabstellplätzen – in Berlin ebenso wie in Brandenburg.

Fazit
Bei der Überwindung der Mauer zwischen West- und Ost-Berlin wurde für die Fahrgäste schon viel erreicht. Markante Defizite gibt es aber beim Ausbau der Straßenbahn über die einstige Grenze hinweg.
Bei der Überwindung der Mauer zwischen West-Berlin und Brandenburg wurde auch schon viel erreicht, doch zu viele Bahn- und S-Bahn-Strecken sind erst teilweise oder noch gar nicht wieder aufgebaut. Für die Wiederherstellung der Straßenverbindungen wurde seit 1989 sehr viel mehr getan als für die Schienenstrecken. Der wachsende Ballungsraum Berlin braucht jedoch mehr Bahnangebote. Deshalb darf keine Bahntrasse aufgegeben werden, müssen die vorhandenen schnell ertüchtigt werden (z.B. durch zweite Gleise für die S-Bahn) und muss auf allen Regionalzug- und S-Bahn-Strecken das Verkehrsangebot schnellstmöglich ausgebaut werden: mehr Züge, längere Züge und längere Betriebszeiten.

Christfried Tschepe, Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender
Matthias Gibtner, stv. Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.