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Pressemitteilung vom 29. Juni 2016

IGEB begrüßt Initiative für Fahrradverkehr, kann den Gesetzentwurf aber nicht unterstützen

Bessere Bedingungen für den Radverkehr und mehr Förderung des Radverkehrs – das unterschreibt selbstverständlich auch der Berliner Fahrgastverband IGEB. Schließlich ist der Radverkehr Teil des Umweltverbundes, zu dem das Zu-Fuß-Gehen, das Radfahren und das Fahren mit Bahnen und Bussen gehören. Fragwürdig ist es aber, diese richtigen Ziele über ein Gesetz zu regeln.

1. Sichere Fahrradstraßen schaffen, gefährliche Kreuzungen sicher machen, schnelle Mängelbeseitigung und mehr Fahrradparkplätze an ÖPNV-Haltestellen: Natürlich wird das alles auch vom Berliner Fahrgastverband befürwortet. Fragwürdig wird es, wenn diese Ziele mit konkreten Zahlen unterlegt werden:
- bis 2025 jedes Jahr mindestens 50 Kilometer neue Fahrradstraßen,
- 75 gefährliche Kreuzungen pro Jahr sicher machen,
- bis 2025 an allen Bahnstationen insgesamt 100.000 neue, sichere Abstellmöglichkeiten.
Auch mit einem Gesetz können nicht Maßnahmen vorgeschrieben werden, vor deren Umsetzung in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob sie umsetzbar sind oder ob andere Belange entgegenstehen. Auch ein Gesetz kann nicht die Gebote der Abwägung und der Verhältnismäßigkeit außer Kraft setzen.

2. Der Gesetzentwurf arbeitet teilweise mit den klassischen Planungselementen der „autogerechten Stadt“, zum Beispiel Radschnellwege und „Grüne Welle“. Radschnellwege abseits der vorhandenen öffentlichen Straßen sind in der Innenstadt ebenso falsch wie Stadtautobahnen. Wie problematisch solche Planungen sind, zeigt sich am Beispiel der Radschnellwegplanung auf der Stammbahntrasse – zulasten der Wiederinbetriebnahme des Schienenverkehrs. Auch die „Grüne Welle“ würde in dem engmaschigen städtischen Straßennetz an vielen Stellen Fußgänger, Busse und Straßenbahnen benachteiligen müssen.

3. Problematisch ist auch die Forderung nach 2 m breiten Radverkehrsanlagen an jeder Hauptstraße. Das kann neue Busspuren erschweren und wird Haltekaps für Busse und Straßenbahnen verhindern. Vor allem aber sollen innerstädtische Straßen möglichst gemeinschaftlich genutzt werden und weder für Auto- noch für Radfahrer verbreitert werden. Stadtstraßen mit getrennten Streifen für Autos, Radfahrer, Busse und Fußgänger sind kein erstrebenswertes Modell für den Straßenraum der Zukunft.

4. Ein Radverkehrsgesetz ist ein Rückschritt auf dem Weg zu einer integrierten Verkehrsplanung. Der Umweltverbund muss ganzheitlich geplant werden – mit im Einzelfall Zugeständnissen auf allen Seiten. Und Nachholbedarf gibt es bei der Infrastruktur für den Radverkehr ebenso wie bei Fußgängern, Bahnen und Bussen. Ein Verkehrsmittel sollte sich hier nicht über die anderen stellen.

Deshalb kann der Berliner Fahrgastverband IGEB trotz vieler unterstützenswerter Punkte dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen.

Christfried Tschepe, Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender
Matthias Gibtner, stv. Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.