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Pressemitteilung vom 08. August 2008

Warten auf unbestimmte Zeit

Fahrgastverband IGEB kritisiert, dass der Berliner Senat eine attraktive Nord-Süd-Erschließung des Hauptbahnhofs um weitere 15 Jahre verschiebt.

Die heute vorgestellten Pläne des Berliner Senats für die S21 sind kein Freudentag für die Fahrgäste, sondern die Fortsetzung der Senatsverkehrspolitik, die unzulängliche Erschließung des Berliner Hautbahnhofs von Norden und von Süden her in eine ferne Zukunft zu verschieben.

Der Berliner Hauptbahnhof ist mit dem öffentlichen Nahverkehr nur unzureichend erschlossen. Die eigentlich zur Bahnhofseröffnung 2006 geplante Straßenbahnanbindung wird inzwischen frühestens 2011 fertig. Noch einschneidender sind aber die Defizite in der Erreichbarkeit aus Richtung Norden und Süden. Die zusätzlich eingerichteten BVG-Buslinien können den fehlenden Schienenverkehr nicht ersetzen.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat deshalb wiederholt gefordert, die Erreichbarkeit von Norden und Süden durch ein intelligentes Regionalbahnangebot herzustellen. Durch Kombination mit dem Flughafenexpress ließen sich gleich zwei wichtige Erschließungsaufgaben sinnvoll und kostengünstig miteinander verknüpfen. Vor allem aber ist die Erschließung mit Regionalzügen sofort realisierbar, da der Nord-Süd-Tunnel zur Verfügung steht und nur zu rund einem Drittel ausgelastet ist.

Anstatt nun eine solche Sofortlösung zu realisieren, plant der Senat, für viel Geld zu den nicht annähernd ausgelasteten vier Tunnelröhren des Fern- und Regionalverkehrs zwei weitere Tunnelröhren für die S-Bahn hinzuzufügen. Realisiert werden soll zunächst außerdem nur der Abschnitt vom S-Bahn-Nordring zum Hauptbahnhof. Der viel wichtigere Südabschnitt wird als zweite Ausbaustufe auf die Zeit nach 2018 vertagt und im günstigsten Fall 2023 zur Verfügung stehen.

Die erste Ausbaustufe Nordring—Hauptbahnhof nützt jedoch nur sehr wenigen Fahrgästen, während sie für viele Fahrgäste, die nicht zum Hauptbahnhof wollen, das Angebot sogar verschlechtert, weil das Liniengefüge der S-Bahn beeinträchtigt wird und Angebotsverschlechterungen auf dem Nordring zwischen Westhafen und Wedding unvermeidlich sind.

Diesbezüglich ist auch die Aussage in der heutigen Presseerklärung des Senats, wonach die Fahrgäste "voraussichtlich ab 2016 vom S-Bahn-Nordring und von allen S-Bahnhöfen der Linie S 1 den Hauptbahnhof direkt ohne Umweg über den S-Bahnhof Friedrichstraße und die Stadtbahn erreichen" können, falsch. Die Fahrgäste der S1 können erst nach Fertigstellung der zweiten Ausbaustufe zwischen Hauptbahnhof und Potsdamer Platz zum Hauptbahnhof gelangen. Und das bedeutet – siehe oben: mindestens 15 Jahre warten.

Der Senat hat aus dem Desaster bei der BBI-Erschließung, wo für die Bahninfrastruktur viel Geld ausgegeben wird, ohne dass den Fahrgästen zeitnah eine attraktive Erschließung geboten wird, offensichtlich nichts gelernt. Wieder verweigert er sich schnellen und intelligenten Konzepten und setzt stattdessen erneut auf die teuerste und langfristigste Lösung, die viele Fahrgäste gar nicht mehr erleben werden. Darüber hinaus werden wieder große Mengen öffentlicher Gelder in einem einzigen Projekt gebunden, die dann für viele andere preiswertere Projekte, zum Beispiel beim Straßenbahnausbau in der Innenstadt, fehlen werden.

Christfried Tschepe, Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.