Pressedienst vom 05. Juni 2002

Keine S-Bahn, keine Straßenbahn

Berliner Fahrgastverband IGEB ist empört, was den Fahrgästen in der Berliner Innenstadt in Kürze zugemutet werden wird

Vor einem Jahr engagierte sich Verkehrssenator Peter Strieder für die Fahrgäste in Zehlendorf und verhinderte, dass S-Bahn-Linie 1 und U-Bahn-Linie 1 nicht zur selben Zeit durch Bauarbeiten stillgelegt werden. Den Fahrgästen in der Berliner Innenstadt bleibt solche Unterstützung versagt.
Inzwischen liegen alle Bau-Info-Materialien für den Monat Juni vor. Dabei wird deutlich: Was jetzt auf die Fahrgäste zukommt, übersteigt alle Befürchtungen:

1. S-Bahn-Nord-Süd-Tunnel
Ab 16. Juni wird der S-Bahn-Verkehr auf dem Abschnitt Nordbahnhof - Friedrichstraße - Yorckstraße unterbrochen. Das war langfristig geplant und abgestimmt. Die ursprüngliche Planung, den Tunnel ein Jahr lang an jedem Wochenende zu sperren, war vom Berliner Fahrgastverband IGEB entschieden abgelehnt worden - zugunsten der jetzigen viermonatigen "Kompaktsperrung".

2. S-Bahn auf der Stadtbahn
Ab 22. Juni bis 4. Juli gibt es massive Einschränkungen auf der Stadtbahn. Auf dem Abschnitt Friedrichstraße - Zoo fährt kein S-Bahn-Zug mehr. Ersatzweise sind Regionalzüge bzw. Busse zu nutzen. Alle Fachleute bei Bahn und Senat hatten dafür plädiert, diese Einschränkungen als Folge der Arbeiten am neuen Lehrter Bahnhof erst in den Sommerferien (nach dem 14. Juli) vorzunehmen, wenn es deutlich weniger Berusverkehr und keinen Schüler- und Studentenverkehr gibt. Doch Bahnchef Hartmut Mehdorn setzte sich über alle Ratschläge hinweg und entschied den früheren Bautermin, weil angeblich nur dadurch die Fertigstellung des neuen Bahnhofs zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gesichert werden kann.

3. Straßenbahn in der Chausseestraße
Seit 13. Mai fahren wegen Bauarbeiten keine Straßenbahnen auf dem Abschnitt zwischen Invalidenstraße und Oranienburger Straße. Damit wird die U6, die ab 16. Juni einen erheblichen Teil des S-Bahn-Nord-Süd-Verkehrs übernehmen muss, zusätzlich belastet. Außerdem wird den S-Bahn-Fahrgästen die Möglichkeit genommen, von den am Nordbahnhof endenden S-Bahn-Zügen mit der Straßenbahnlinie 50 direkt zum Bf. Friedrichstraße zu gelangen. Eine sehr ärgerliche Einschränkung, die nach Aussage der BVG schon vor der S-Bahn-Planung für die Nord-Süd-Tunnel-Sperrung festgelegt wurde und eigentlich im Jahr 2001 erfolgen sollte.

4. Straßenbahn zu den (S-)Bahnhöfen Alexanderplatz, Hackescher Markt, Friedrichstraße
Ab 17. Juni bis 1. Juli wird der Straßenbahnverkehr in der City-Ost wegen Bauarbeiten an den erst 3 Jahre alten Gleisen nahezu vollständig eingestellt. Der S-Bf Hackescher Markt wird nur noch eingeschränkt angefahren, zu den S- und Regionalbahnhöfen Alexanderplatz und Friedrichstraße fahren gar keine Straßenbahnen mehr. Dieser fatale Fall verweist auf ein strukturelles Defizit: Senator Strieder hat zwar eine Bauarbeitenkoordination seines Hauses mit S-Bahn- und U-Bahn-Vertretern eingerichtet, dabei aber die Straßenbahn vergessen.

Damit wird der Bf Friedrichstraße als einer der zentralen Berliner Nahverkehrsknoten in der zweiten Juni-Hälfte mit der S-Bahn nicht mehr von Süden, Westen und Norden und mit der Straßenbahn überhaupt nicht mehr erreichbar sein. Entsprechend chaotische Zustände sind auf der verbleibenden U-Bahn-Linie 6 mit ihrer baulich viel zu engen Station Friedrichstraße zu erwarten.

Dies ist ein beispielloser und ungeheuerlicher Vorgang. Bahnchef Mehdorn und die BVG vernachlässigen die Interessen ihrer Kunden in grober, unverantwortlicher Weise. Und Verkehrssenator Strieder, der sich für Zehlendorf so engagierte, schweigt. Dabei wäre es für ihn kein Problem gewesen, von der BVG zumindest bei den Straßenbahnsperrungen zu Alex und Friedrichstraße eine Zurückstellung der Bauarbeiten bis in die Sommerferien zu verlangen.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat sich einerseits stets um Verständnis für die Bauarbeiten bemüht und andererseits an Konzepten mitgearbeitet, um die Belastungen der Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. Doch was Politik und Verkehrsbetriebe den Berliner Fahrgästen in der zweiten Juni-Hälfte zumuten wollen, ist unverantwortlich und wird von den Fahrgästen als Schikane oder als Ausdruck von Inkompetenz der Verantwortlichen empfunden werden.
 

gez. Stellvertreter: Dipl.-Ing. Christfried Tschepe
Abteilungsleiter Stadtverkehr: Jens Wieseke

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.