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Erfolgsstory Straßenbahn

28.12.2007

Zwei kurze Tram-Neubaustrecken haben der BVG zum Teil zehn Mal mehr Kunden beschert
Gerade mal 2,6 Kilometer lang sind die beiden Straßenbahnstrecken, die in diesem und im vergangenen Jahr in Berlin eröffnet worden sind. Doch die Mini-Neubautrassen werden so gut genutzt, dass die Fahrgastzahl auf den dort verlaufenden Linien M2 und M10 im Vergleich zu 2005 um mehr als ein Drittel gestiegen ist. Auf einem Abschnitt in Wedding nahm die Zahl der Nahverkehrsnutzer sogar um fast tausend Prozent zu, meldeten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). "Wir freuen uns über die große Akzeptanz", sagt Straßenbahnplaner Jürgen Sember. Angesichts dieses Erfolgs fordern Verbände, den Ausbau des Gleisnetzes zu beschleunigen. Aber der Senat weist dies zurück.

28. Mai 2006, 11.27 Uhr: Sachte zieht Fahrer Roman Czekay den Hebel im Führerstand nach vorn. Dann setzt sich erstmals ein Zug der Linie M10 zum Nordbahnhof in Bewegung. 42 Jahre nachdem die "Elektrische" in der Bernauer Straße stillgelegt worden war, rollen dort wieder Straßenbahnen.

30. Mai 2007, 11.17 Uhr: Zwischen dem Kaufhof und dem Bahnhof Alexanderplatz hält erstmals eine M2. Die zweite Neubaustrecke zum Alexanderplatz, "Alex II" genannt, ist eröffnet. Die Linie M2 führt nicht mehr zum Hackeschen Markt, sondern zu einem der wichtigsten Umsteigebahnhöfe in Berlin.

Jetzt hat die BVG eine erste Bilanz der beiden Projekte gezogen. "Auf der Linie M10 hat die Zahl der Fahrgäste seit 2005 um 36,7 Prozent zugenommen", teilt sie auf Anfrage der Berliner Zeitung mit. Dort steigen an Werktagen im Durchschnitt 49 200 Menschen in die gelb lackierten Bahnen ein.

Bessere Umsteigemöglichkeiten

Besonders eindrucksvoll ist der Zuwachs in der Bernauer Straße. in Wedding. Früher verkehrte dort ein Bus - mit werktags rund 630 Fahrgästen in beiden Richtungen. Nun fährt stattdessen die Tram M10 - mit inzwischen 6 800 Reisenden pro Tag. Damit ist die Zahl fast auf das Elffache gestiegen.

Dass die Züge auf der gesamten Linie voller geworden sind, ist nicht nur ein Ergebnis der Streckenverlängerung, die den Fahrgästen neue Umsteigemöglichkeiten beschert hat: zur U-Bahn-Linie 8 und zur Nord-Süd-S-Bahn. Seit Einführung des Metrolinienkonzepts vor drei Jahren fährt die M10 auch öfter - tagsüber alle fünf Minuten. Dies habe die Attraktivität zusätzlich gesteigert, hieß es.

Bis zum Innsbrucker Platz

Auf der Linie M2 sind jetzt 34,8 Prozent mehr Reisende un- terwegs als noch vor zwei Jahren, so die BVG. Seitdem die Bahnen zum Alexanderplatz fahren, werden an Werktagen im Durchschnitt 28 300 "Einsteiger" gezählt. Auf einzelnen Teilstücken nahm die Nachfrage noch stärker zu - zum Beispiel zwischen Moll- und Metzer Straße um 92,5 Prozent.

Neubaustrecken, Fahrplanaufstockungen, aber auch die Einführung des Nachtbetriebs auf den Metrolinien wirken sich auf die Gesamtbilanz aus. "Stiegen 2005 an einem durchschnittlichen Werktag 539 000 Fahrgäste in unsere Straßenbahnen ein, so sind es in diesem Jahr bereits 601 000. Das entspricht einer Steigerung um 11,6 Prozent", meldet die BVG. Bei Bussen und U-Bahnen gehe dagegen die Nutzung zurück, sagt Ingolf Berger von der Initiative Pro Tram Berlin.

"Die Zuwächse zeigen, dass die Straßenbahn kein Hobby von Fans, sondern ein Verkehrsmittel der Zukunft ist", sagt Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. "Wir können nur hoffen, dass die Politik die richtigen Schlussfolgerungen zieht und das Netz zügig ausbaut." Vor allem im Westen Berlins gebe es große Potenziale, so Martin Schlegel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er fordert, Gleise in der Potsdamer und Hauptstraße zum Innsbrucker Platz sowie in der Turmstraße zu verlegen. Der Anstieg auf der Bernauer Straße zeige, dass es einen "Schienenbonus" gibt: "Die Tram gilt als zuverlässiger, schneller und bequemer als der Bus."

Manuela Damianakis, Sprecherin der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), warnt vor zu großen Erwartungen. Derzeit entstehe die Strecke in die Wissenschaftsstadt Adlershof, die laut BVG 2010 fertig wird. Die Trasse zum Hauptbahnhof wird 2011 eröffnet, sagt Damianakis. Ob es weitere Strecken gibt, müsse erst noch sorgfältig geprüft werden.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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