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Der neue U2-Hit

05.09.2018

Einer geht noch...!
Mitte - Sie schieben und schubsen und drängeln sich gewaltsam in den Zug. Wer nicht mitmacht, hat verloren und bleibt am Bahnsteig zurück. Willkommen in der U2! Die im Feierabendverkehr wichtige U-Bahn-Linie ist jeden Tag hemmungslos überfüllt, steuert ins Chaos. Aber niemand lenkt ein.

Haltestelle Spittelmarkt gegen 18 Uhr: Ein Zug der Linie U2 rollt in den Bahnhof ein. Als sich die Türen öffnen, quetschen sich Touristenmassen und Pendler durch das dünne Nadelöhr. „Lassen Sie uns doch erstmal aussteigen“, raunzt eine ältere Dame erbost. Doch es scheint niemanden zu interessieren. Alle haben nur ein Ziel: Rein in die Bahn! Seit drei Monaten spielen sich zu den täglichen Stoßzeiten hier immer die gleichen Szenen ab.

Keine zusätzlichen Züge möglich

„Das tue ich mir nicht an. Da warte ich lieber“, sagt Maria Kunze (46) aus Wilmersdorf. Die nächste Bahn kommt bereits fünf Minuten später und ist genauso voll. Drinnen steht die Luft, es riecht nach Schweiß. „Für diese Fahrten zahle ich monatlich 60 Euro. Behandelt man so seine Gäste?“, sagt Herbert B. aus Wannsee empört.

Der KURIER hat bei der BVG nachgefragt: Ist dieser Zustand jetzt normal? „Wir sind bisher pünktlich im Takt gefahren und haben auch keine Kurzzüge eingesetzt“, sagt eine BVG-Sprecherin, aber auch: „Wir jonglieren jeden Tag und können nicht noch zusätzliche Züge einsetzen.“

Vor dem Desaster bei der U-Bahn warnen Verkehrsexperten seit Jahren. Auch auf anderen Linien wie der U9 gibt es zu Stoßzeiten vermehrt Schwierigkeiten. „Die Züge sind zu alt, im Schnitt 30 Jahre, und es sind zu wenig. Viele sind noch aus den 60er Jahren und müssten verschrottet werden“, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbandes Igeb.

Das Chaos hinter den Kulissen macht auch ein Brandbrief deutlich, den Mitarbeiter der BVG kürzlich an den Vorstand schrieben. Sie warnen ebenfalls vor den Folgen der veralteten Fahrzeugflotte. Schon jetzt müssten Fahrzeuge mehrmals der Werkstatt zugeführt werden und durch Zugausfälle fielen auch dutzende Dienste aus. „Wir sind in großer Sorge, dass es hier in den nächsten Jahren zu katastrophalen Entwicklungen kommt“, heißt es.

Igeb-Sprecher Wieseke appelliert an die Politik: „Wir fordern den Senat auf, endlich seine Aufgaben zu erfüllen und der BVG zu helfen."

Autor/Agentur: Kerstin Hense
Quelle: Berliner Kurier
Medium: Tageszeitung
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