Mit der Straßenbahn zum Ostkreuz? Derzeit ist das keine gute Idee. Denn die Linie 21 schlägt um die wichtigste Bahnstation im Osten Berlins einen Bogen. Von der nächst gelegenen Haltestelle sind rund 400 Meter zu laufen – ein Hindernisparcours zwischen Kneipentischen und Döner essenden Touristen.
Lärmschutz für 55 Gebäude
Dabei ist das Ostkreuz, das täglich bereits von 210.000 Reisenden und Besuchern genutzt wird, immer bedeutender geworden. Längst stoppen nicht mehr nur S-Bahnen, auch Regionalzüge und der private Fernzug Locomore nach Stuttgart legen Halte ein. Von Juni an kann man vom Ostkreuz sogar mit einem Intercity nach Hannover, Bremen und Norddeich an der Nordsee reisen.
Senat und Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) sind sich einig: Damit das Ostkreuz besser erreichbar ist und das Umsteigen erleichtert wird, muss die Straßenbahn am Eingang halten. Und so soll die Strecke zwischen Boxhagener und Karlshorster Straße künftig anders verlaufen als heute. Geplant ist eine 1240 Meter lange Trasse, die rechts in die Holtei- und links in die Sonntagstraße einbiegt. Dann geht es zum Ostkreuz und unterm Ring hindurch, bis die Gleise die Marktstraße erreichen.
Wie der Fahrgastverband IGEB, die Bezirksämter und andere hat auch Sven Heinemann ungeduldig darauf gewartet, dass die Planfeststellungsverfahren endlich startet. „Das Ostkreuz ist seit 145 Jahren ein Verkehrsknoten“, sagt der SPD-Abgeordnete aus Friedrichshain. „Das neue Ostkreuz braucht die direkte BVG-Anbindung im Interesse der Fahrgäste und Kiezbewohner.“
Am 3. Januar begann die Auslegung der Unterlagen, über 15 Jahre nach den ersten Planungen. Bis zum 2. Februar können sie im Lichtenberger Stadtentwicklungsamt, Alt-Friedrichsfelde 60, eingesehen werden. Auch im Internet sind sie nachzulesen. Geht alles gut, könnte der Gleisbau 2020 in Angriff genommen werden und der Betrieb Ende 2020 starten. Nicht nur die Linie 21 (Lichtenberg–Schöneweide) soll über die Neubaustrecke führen. Geplant ist auch eine neue Linie 22, die ebenfalls im 20-Minuten-Takt fährt und Friedrichshain mit Rummelsburg verbindet – die Endstationen stehen noch nicht fest. Erwartet werden 4400 Fahrgäste pro Tag.
Die Straßenbahn zum Ostkreuz ist ein Projekt, das viele Unterstützer hat – aber auch Gegner. Spätestens dann, wenn Anlieger erkennen, dass Parkplätze wegfallen werden. Deren Zahl soll allein in der Sonntagstraße von 160 auf 55 sinken. Für das Projekt sollen auch acht Bäume gefällt, Gehwege schmaler werden.
Für die Initiative „Ideenaufruf Zukunft Ostkreuz“, die sich Montag um 19 Uhr in der Simplonstraße 49 trifft, und Joost ist der Lärm ein Thema. Tagsüber soll 192 Mal eine Bahn durch die Sonntagstraße fahren, nachts 30 Mal. Die Unterlagen zeigen auch, dass es für 55 Häuser, meist in der Holtei- und Sonntagstraße, Anspruch auf Lärmschutz gibt. Die Asphaltierung der Sonntagstraße soll die Belastung senken.
Wie am Montmartre von Paris
„Die neue Trasse soll mitten durch ein Wohngebiet führen, auf wenigen hundert Metern werden die schweren Straßenbahnen dreimal abbiegen“, so Joost. Die Anwohner müssen den Krach quietschender Züge ertragen. „Wir gehen davon aus, dass die zu erwartende Lärmbelastung mit den Schallschutzregelungen nicht vereinbar wäre.“ Ein anderes Argument: „Hier droht eine tiefgreifende Veränderung des Stadtraums. Noch hat der Annemirl-Bauer-Platz an der Sonntagstraße eine spezielle Atmosphäre, sie wurde mit dem Montmartre in Paris verglichen. Er ist in unserem Wohnviertel ein ganz besonderer Platz mit einer großen Qualität. Das wird sich ändern, wenn die Straßenbahnstrecke daran vorbeiführt.“
Joost und seine Mitstreiter fordern, die heutige Trasse beizubehalten, weil sie schneller ist. „In Höhe der Jugendherberge sollte eine Haltestelle gebaut werden, von der es auf kürzestem Weg eine Gehverbindung zum Ostkreuz geben sollte.“
Die Planung neu aufrollen? Bloß nicht, entgegnet Sven Heinemann. „Sie fällt jetzt nicht vom Himmel. Es gab unzählige Bürgerinformationen dazu in den vergangenen Jahren. Viele Punkte sind aufgenommen worden.“ Er erwartet, dass das Projekt, das vielen Menschen nutzen wird, vor Gericht bestehen wird. „Grundsätzliche Kritik an der Straßenbahn kann ich nicht nachvollziehen“, sagt er. „Potenzielle Kläger sollten das Gemeinwohl in ihre Überlegungen einbeziehen.“