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"Den Fahrausweis bitte!" - Mit diesem Satz kassieren Betrüger ab

02.03.2005

Die BVG rät: Ausweise von Kontrolleuren genau prüfen
In der U-Bahn treiben offenbar falsche Kontrolleure ihr Unwesen. Sie geben vor, für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu arbeiten und versuchen, Fahrgäste an Ort und Stelle abzukassieren. Es sind "vereinzelt Fälle bekannt, in denen nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob es sich um echte Kontrolleure handelte", gesteht das Unternehmen ein. "Wenn der Verdacht besteht, stellen wir Strafantrag gegen Unbekannt", sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Der Fahrgastverband IGEB fordert, "mit allen Mitteln gegen falsche Kontrolleure vorzugehen". Sonst leide der gute Ruf des Berliner Nahverkehrs.
BVG und Polizei sprechen zwar von Einzelfällen. Doch jeder Fall ist für die betroffenen Fahrgäste zumindest unangenehm. Jürgen Müller aus Karlshorst zum Beispiel fühlt sich "persönlich beleidigt". Er war am 13. Februar gegen 2.45 Uhr mit drei Bekannten auf der U-Bahn-Linie 2 unterwegs, als ihn vier Männer in Zivilkleidung ansprachen. "Sie hatten zuvor die 50 anderen Fahrgäste im Wagen kontrolliert und zeigten dann uns ihre Ausweise. Ob die echt waren, konnten wir natürlich nicht feststellen", sagt der frühere Ingenieur für Elektrotechnik. Eine Frau aus seiner Gruppe hatte vergessen, ihren Fahrschein zu stempeln. Folge: "Wir mussten auf dem U-Bahnhof Gleisdreieck aussteigen. Dort wollten die Männer 40 Euro. Sie begannen, uns zu beschimpfen und uns Gewalt anzudrohen."

Inzwischen aber hatte sich der 57-Jährige daran erinnert, dass er mit seiner Umweltkarte am Wochenende gratis einen Erwachsenen mitnehmen darf. Die Frau mit dem ungestempelten Fahrschein fuhr also gar nicht schwarz. "Trotzdem bedrohte uns der Anführer der Kontrolleure weiter." Bitten, erneut die Dienstausweise zu zeigen, lehnten die Männer ab. Als der Konflikt auszuufern drohte, ging Müller zur Notrufsäule und beschwerte sich bei der BVG. Sofort verließen die angeblichen Kontrolleure den U-Bahnhof.

Für den Fahrgast war das ein erster Hinweis darauf, dass es sich offenbar um Betrüger handelte. Der zweite Hinweis: Normalerweise haben Kontrolleure ein Dateneingabegerät dabei - diese Männer hatten so etwas nicht. Als ihm dann die BVG später mitteilte, dass in jener Nacht die letzte Kontrolle auf der U 2 um 1.30 Uhr geendet hatte, war ihm klar: "Das waren keine echten Kontrolleure." Die BVG riet ihm, Strafanzeige zu stellen - wegen Betrugs. Die Anzeige liegt jetzt beim Polizeiabschnitt 52.

Wenn jeder Ticket-Kontrolleur künftig Dienstkleidung tragen würde, hätten es Betrüger schwerer, sagt Jürgen Müller. Doch dieser Forderung will sich der Fahrgastverband nicht anschließen. "Auch für uns ist es nachvollziehbar, dass BVG und die S-Bahn Kontrolleure in Zivilkleidung einsetzen", sagt der stellvertretende Vorsitzende, Matthias Horth. Uniformierte seien viel zu leicht erkennbar - Ticketprüfungen würden kaum noch Wirkung zeigen. Horth und sein Mitstreiter Jens Wieseke raten den Fahrgästen, sich bei Kontrollen den Ausweis zeigen zu lassen und diesen aufmerksam zu prüfen. Das ist auch der Tipp, den die BVG gibt. Um ihre Kunden zu informieren, hat sie in ihrem Kundenmagazin "BVG plus" zweimal die Muster der Dienstausweise abgedruckt.

An der Praxis, Kontrolleure in zivil einzusetzen, hält die BVG weiter fest. Denn mit dieser Strategie ist sie bislang gut gefahren. 2003 waren bei Ticketkontrollen noch 5,7 Prozent der Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein - im vergangenen Jahr betrug diese Quote nur noch 3,7 Prozent. Weil die Zahl der Kontrollen erhöht wurde, erwischten die Fahrscheinprüfer des Landesunternehmens rund 665 000 Schwarzfahrer - 80 000 mehr als 2003.

Mit dem Eifer des Personals steigt allerdings auch die Zahl der Kundenbeschwerden, die beim Fahrgastverband eintreffen. Jens Wieseke: "Gestern berichtete uns eine Frau, dass sie in einer vollen Straßenbahn nicht schnell genug zum Ticketautomaten gelangte - sie musste 40 Euro Strafe zahlen."

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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